Jacqueline Maley
Nur eine weitere Geschichte
Aus dem Englischen von
Wibke Kuhn
Roman
Gebunden mit Lesebändchen
496 Seiten
Preis: € 22,– [D] / € 22,70 [A]
ISBN: 978-3-7530-0078-7
Erscheinungstermin: 25. April 2023
Gehört die Geschichte deines Lebens dir oder denen, die sie schreiben?
Die Journalistin und alleinerziehende Mutter Suzy Hamilton erfährt eines Morgens, dass die Wellness-Bloggerin Tracey Doran, die Gegenstand einer ihrer Enthüllungsgeschichten war, Suizid begangen hat. Suzy ist erschüttert und fühlt sich schuldig, doch anstatt sich ihren Gefühlen zu stellen, sucht sie Ablenkung: in ihrer Arbeit, ihrer Mutterrolle und ihren Affären.
Aber die Folgen ihres Artikels holen Suzy ein Jahr später ein. Sie erhält anonyme Drohbriefe, wird von Traceys Mutter kontaktiert und aufgesucht. Diese verlangt von ihr, eine weitere Geschichte zu erzählen – Traceys wahre Geschichte.
Eine zärtliche, fesselnde und intelligente Erkundung von Schuld, Scham, weiblicher Wut und vor allem von Mutterschaft mit all ihren Schwierigkeiten und Schätzen.
»Im Sommer, nachdem ich die Story geschrieben hatte, die Tracey Doran getötet hat, hatte ich gerade aufgehört, mit zwei sehr unterschiedlichen Männern zu schlafen, nach einer Verwicklung in etwas, was manche Menschen im Internet als ›Sexskandal‹ bezeichneten, obwohl es mir in dieser Formulierung nicht so vorkam, als könnte ausgerechnet mir so etwas passieren. Es kam mir vor wie etwas, was den Leuten passierte, über die ich schrieb, also ein völlig anderer Menschenschlag.
In jenem Sommer wohnte ich in Glebe, einem Vorort von Sydney, in einer baufälligen Häuserzeile, zusammen mit meiner kleinen Tochter Maddy, die im Mittelpunkt von allem stand. Das Haus war alt und wurde streng bewacht von einem riesigen Moreton-Bay-Feigenbaum, der noch älter war als das Haus selbst. Der Feigenbaum war riesig und zuweilen sogar bedrohlich, wie eine Kreuzung aus einem riesigen Pterodaktylus und einem Stück uralter Fauna, das in den gruseligen Teil eines Märchens gehörte. Er drohte permanent das Haus zu überwältigen, aber ich hatte damals andere Dinge im Kopf. Mit dem Feigenbaum lebte ich, das Haus liebte ich.
Maddy und ich wohnten dort, seit sie zwei war und ich ihren Vater verlassen hatte, nach Dem Vorfall. Oder Charlie hatte mich verlassen, ich war immer noch nicht sicher, wer eigentlich wen verlassen hatte. Ich wusste nur eines: Das Idyll der frühen Mutterschaft, Milchflecken und nächtlichen Fütterungen, der Sorgen und ersten Male – das erste Lächeln, das erste Mal Umklammern eines Fingers, der erste Schritt, der erste Wutanfall im Supermarkt, die erste Hämorrhoide (bei mir), der erste herzzerreißende Stich von Schuldgefühl –, war jäh zum Ende gekommen.«