Leila Mottley, geboren 2002, war 2018 Stipendiatin beim Oakland Youth Poet Laureate. Sie hat unter anderem in der New York Times und Oprah Daily veröffentlicht. Geboren und aufgewachsen ist Mottley in Oakland, wo sie bis heute lebt. Nachtschwärmerin ist ihr Debütroman.
Foto: Magdalena Frigo
Wie und wann haben Sie Ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt? Gab es einen konkreten Moment, der Sie dazu inspiriert hat, damit zu beginnen?
Ich bin in einem Haus voller Bücher aufgewachsen, in einer Familie, in der Worte einen hohen Stellenwert haben. Als Kind hatte ich das Gefühl, drei verschiedene Leben zu leben. Eines in der Schule, wo ich eines von zwei schwarzen Kindern in meiner Klasse war und nicht verstehen konnte, warum alle anderen Kinder ein zweites Zuhause hatten, in das sie an langen Wochenenden fuhren. Eines zu Hause, wo meine Welt kompliziert und verwirrend und bunt und chaotisch war und wo ich nicht wusste, wo ich hingehörte. Und eines in der Welt von Oakland, auf den Straßen und in den Bussen und Zügen, in die mein Vater uns mitnahm, weil er nicht Auto fahren konnte, und wo ich mich zu Hause fühlte. Ich wandte mich dem Schreiben zu, um diese unterschiedlichen Erfahrungen zu verstehen, um mich in einer Welt, in der ich mich ständig zerrissen fühlte, ganz zu fühlen. Es gibt nicht den einen Moment, in dem ich Schriftstellerin wurde, denn ich glaube, ich war es schon immer; meine Mutter schenkte mir ein Haus voller Bücher, und mein Vater zeigte mir, wie ich überleben konnte, indem ich neue Bücher schrieb.
Gibt es einen realen Fall, der Sie zur Geschichte von Nachtschwärmerin inspiriert hat?
Nachtschwärmerin ist inspiriert von einem wahren Fall im Jahr 2015, bei dem Angehörige verschiedener Polizeidienststellen in der Bay Area ihre Macht missbrauchten und eine junge Frau sexuell ausbeuteten. Die Figuren und konkreten Ereignisse in Nachtschwärmerin sind jedoch alle frei erfunden. Neben diesem einen Fall, der in die Medien gelangte, gab und gibt es Dutzende anderer Fälle von Sexarbeiterinnen und jungen Frauen, die Gewalt durch die Polizei erfahren und deren Geschichten nicht erzählt werden, die ihren Fall nicht vor Gericht bringen können und die diesen Situationen nicht entkommen. Dennoch sind die Fälle, von denen wir wissen, nur wenige. Nachtschwärmerin zeigt eine Art von Missbrauch, die häufig vorkommt. Obwohl der Roman von dem Fall aus dem Jahr 2015 inspiriert ist, geht es nicht darum, diesen nachzuerzählen, sondern darum, die Realität der Polizeikorruption zu zeigen, und den Schaden, den diese den Körpern und Leben schwarzer Frauen zugefügt hat und weiterhin zufügt.
Sind die Themen des Buches welche, für die Sie sich über das Schreiben hinaus engagieren?
Ich glaube, dass das Schreiben und die Geschichten ein kleiner Teil der Aufgabe sind, Ungerechtigkeit und Terror zu bekämpfen und auszulöschen. Als junge schwarze Frau kenne ich die Gewalt, die uns angetan wird, und die Art, wie viele Menschen sich anmaßen, über unsere Körper, unsere Fürsorge und unsere Liebe zu bestimmen. Nachtschwärmerin zeigt dies durch die verschiedenen Beziehungen, die Kiara zu den Menschen um sie herum hat; schwarze Mädchen werden unangemessen früh wie Erwachsene behandelt und stehen vor der Herausforderung, in einer Welt zu überleben, die den Schutz schwarzer Mädchen und Frauen vernachlässigt. Ich schreibe über diese Dinge als Auf- ruf an die Leserinnen und Leser, zu hinterfragen, was sie von schwarzen Frauen verlangen, und die Rolle zu bedenken, die sie für unsere Sicherheit spielen. Ich verlange dies von den Menschen um mich herum in meinem eigenen Leben und strebe eine Welt an, in der die Polizeikontrolle in allen Formen abgeschafft wird und unsere Gemeinschaften sich für den Schutz schwarzer Frauen verantwortlich fühlen.
Welche Frauen beeinflussen und beeindrucken Sie am meisten?
Das Vermächtnis schwarzer Schriftstellerinnen und schwarzer Frauen meiner Familie hat einen prägenden Einfluss auf mein Leben und meine Arbeit. Toni Morrison, Ntozake Shange, Jesmyn Ward, bell hooks, Zora Neale Hurston und viele andere haben mich in meinem ganzen Sein und der Art, wie ich Worte und Geschichten betrachte, beeinflusst. Diese Autorinnen erinnern mich daran, dass Sprache ein Werkzeug ist, das dazu gedacht ist, zu manipulieren, zu unterlaufen und zielgerichtet eingesetzt zu werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich durch die schwarzen Frauen in meiner Familie entstanden bin, die die Grundlagen für die Geschichten geschaffen haben, die ich erzähle; und die, was am wichtigsten ist, mir den Wunsch mitgegeben haben, komplizierte, verwirrte, eigensinnige, gestresste, anmutige, chaotische schwarze Frauen in die Welt zu schreiben.